24. Ausgabe 04.02.2016


Liebe Kunstfreunde!

„Hol doch schon mal den Lehmann!“ soll heissen: her mit dem Vorschlaghammer. Den zu benutzen wäre man geneigt, wenn es um die HSH-Nordbank geht, speziell um das ehemalige Gebäude der Landesbank.

In jüngster Zeit hat sich bei mir eine innere Wandlung vollzogen. Empfand ich es früher als eiskalten Klotz, der eiskalte Rechner beherbergt, hat sich so etwas wie Mitleid eingestellt, denn die eiskalten Rechner erwiesen sich als überhitzte Birnen, die den Landesetat zwar nicht zur Kernschmelze, aber zu einer kulturellen Dauerlähmung führten. So strahlt der Bauklotz aus cremeweissem Travertin so etwas wie Leichtigkeit aus, vor allem, wenn der Himmel mal wieder grau wie die Vorzeit ist, was hier doch recht häufig vorkommt. Das Sinnbild eines gelangweilten Bankers (eines Kunden oder Steuerzahlers jedenfalls nicht) befindet sich vor der Bank mit Blick auf unser famoses Rathaus, das sich hinter dem Campanile von Venedig nicht zu verstecken braucht.

Lehmann heisst der Bildhauer und seine Bronze sinnigerweise „Wächter“. Wie ein trunkener Römer lehnt er auf einem imaginären Cannapee der einer „bad bank“, so als hätte er schon Typen wie Berger und Nonnenmacher vorhergesehen. Pleite, na und? Wie der Bildhauer, der in Staufen eine üppige moderne Betonvilla bewohnte, zu dem Auftrag kam, entzieht sich meiner Kenntnis. Denn genauso wie die semiabstrakte Allerweltsfiguration könnte man sich das Gebäude wie ein Abziehbild in anderen Großstädten vorstellen, die ebenfalls „freigebombt“ wurden. Der Architekt war ein sehr guter und hat immerhin die Grindel-Hochhäuser und den Großmarkt in Hamburg gebaut.

Wo hatte er so viel Travertin her, der in Deutschland gar nicht abgebaut wurde? Es ist schließlich DAS Material der Römer durch die Jahrtausende, Die Kolonnaden von Bernini auf dem Petersplatz und viele andere Bauwerke lassen grüßen. In Tivoli vor den Toren Roms sind die Steinbrüche. Mussolini hatte dem abgelehnten Kunststudenten aus Braunau Güterzüge mit dem porösen Stein geschenkt.
Waren es Restbestände? Steine lachen über jede Insolvenz, auch die von Systemen.

Das schönste an der Landesbank war ein erlesener Weinkeller für handverlesene Kunden. Flaschen mit angegammeltem Etikett wurden aussortiert und dem Kellner der Kantine geschenkt. Der hatte Kunst studiert und konnte sehr gut den Schimmel mit Aquarellfarben imitieren. Das war direkte Kunstförderung.

Alles Gute!
Ben Siebenrock